Die Saalkirchen in Oberholtorf

I

In den Sommermonaten 2000 - 2002 wurden die ehemaligen Kirchenanlagen aufgrund von Hinweisen des ortsansässigen Landwirts und Heimatforschers Horst Wolfgarten von den Archäologen des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege unter Leitung des Archäologen Dr. Gechter erforscht und bei umfangreichen Grabungen die Grundmauern zweier frühmittelalterlichen Kirchen freigelegt. Dabei handelte es sich um die Grundmauern einer älteren Kirche mit einem Längenmaß von 17 Metern, die später auf eine 36 Meter lange und 10 Meter breite einschiffige Saalkirche erweitert wurde. Beide Kirchen waren bis zu den jetzigen Ausgrabungen völlig der Vergessenheit anheim gefallen. Urkunden oder Hinweise auf diese Kirchen haben sich bislang nicht auffinden lassen.

Im Chor der erweiterten Kirche wurde ein Kindergrab mit 2 Skeletten gefunden. Eine Radiokarbonuntersuchung der Universität Kiel ergab, dass dort die Beisetzung eines vierjährigen Kindes um das Jahr 1024 erfolgte. Dies beweist, dass diese erweiterte Kirche mit dem Kindergrab spätestens gegen Ende des 1. Jahrtausend entstanden sein muss, die Vorgängerkirche dagegen ist wesentlich älter. Sie stammt möglicherweise aus der späten Merowingerzeit, ehe sie wegen Baufälligkeit, Zerstörung oder aus anderen Gründen durch einen Erweiterungsbau ersetzt wurde. Für eine sehr frühe Errichtung der ersten Kirche spricht zudem die ungenaue Mauerung des Chorgewölbes. Damit stellen diese Kirchen ein einmaliges historisches Kleinod dar.

Gleichfalls völlig ungewöhnlich für die damalige Zeit sind die Ausmaße der erweiterten Kirche von 36 x 10 Metern. Die Kirche übertraf damit in ihrer Größe die meisten anderen bekannten Kirchen im Rheinland aus der damaligen Zeit.

Ganz unerforscht ist bis heute, in welchem historischen Zusammenhang die Kirchen errichtet wurden. Holtorf (Holzdorp) wurde 1183 erstmals urkundlich erwähnt und es gibt keine Erkenntnisse, dass sich dort früher eine größere Ansiedlung befunden hat. Auch für die Annahme, bei den Kirchen habe es sich um Eigenkirchen einer auf dem Oberholtorfer Burghof ansässigen Adelsfamilie gehandelt, fehlen bislang überzeugende Hinweise. Gegen diese Annahme spricht schon die Größe der Kirchen. Desgleichen scheidet aus zeitlichen Gründen eine Verbindung zur Abtei Heisterbach aus, denn die erste Siedlung der Zisterziensermönche aus der Abtei Himmerod in der Eifel auf dem Stromberg im Siebengebirge als Vorläufer der späteren Abtei Heisterbach datiert aus dem Jahr 1189, also aus einer Zeit, als die Holtorfer Kirchen schon lange errichtet waren.

II.

Möglicherweise war der Ort der Kirchen in Oberholtorf mit seiner durch die Höhenlage bedingten weiten Sicht und damit seiner strategisch überragenden Bedeutung ein Machtzentrum im frühen fränkischen Auelgau, der sich von der Wahnerheide bis nach Rheinbreitbach und vom Rhein bis ins Bergische Land erstreckte. Ein derartiges Machtzentrum gäbe eine einleuchtende Erklärung für die ungewöhnlich große Anlage.

In einem Teil der Fundamente der ersten Kirche befanden sich beachtliche Steinbrocken mit sehr festem Mörtel, so dass ein turmartiger Vorgängerbau bestanden haben könnte. Reste dieser Mauer liegen unmittelbar rechts neben der Tafel.

Wie die Fachleute bei den Ausgrabungen feststellen konnten, wurde die Saalkirche im 13. Jahrhundert abgetragen und für umliegende Wohngebäude verwendet. Sie wurde also nicht zerstört. Auch dies könnte für die Annahme eines früheren Machtzentrums im Auelgau sprechen, denn als das Machtzentrum aus politischen Gründen verlagert wurde, wurde die Kirche nicht mehr benötigt.

Für eine sehr frühe Besiedlung der gesamten Region sprechen zudem Funde einer keltischen Wohnanlage anlässlich der Ausgrabungen. Die 3 Steine ganz rechts außen am Rand der Mauer, ohne Mörtelspuren und in einiger Tiefe entdeckt, mögen Kultsteine dieser Menschen gewesen sein. In diesem Zusammenhang soll auf die Hügelgräber im Ennertbereich aus der Bronzezeit und auf die nicht weit entfernt liegende Fundstelle der Oberkasseler Steinzeitmenschen (um 12.000 v. Chr.) hingewiesen werden.

III.

Damit diese frühen historischen Funde nicht wieder in Vergessenheit geraten, wurden auf Wunsch der Beueler Heimat- Geschichts- und Denkmalvereine, der Beueler Bezirksvertretung und interessierter Holtorfer Bürger die Fundamente der Kirchen maßstabsgetreu mit Natursteinplatten nachgezeichnet. Diese Nachzeichnung wurde von Dr. Gechter, der als Archäologe die Ausgrabungen geleitet hatte und von Dr. Talbot, dem Leiter der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Bonn, fachmännisch begleitet.

Wegen fehlender öffentlicher Mittel wurden diese Arbeiten unter der Regie des Bürgervereins Holtorf-Ungarten e.V. durch Eigenleistungen und Spenden vor allem der Holtorfer Bürger ohne öffentliche Mittel durchgeführt. Dies beweist nicht nur einen deutlichen Gemeinsinn der beteiligten Vereine und Bürger sondern auch das große Interesse vieler Menschen an den Spuren ihrer heimatgeschichtlichen Vergangenheit.

IV.

Die vorstehenden Erläuterungen beruhen auf einer vorläufigen Stellungnahme der Arbeitsgruppe Denkmalpflege des Bürgervereins Holtorf-Ungarten e.V. Das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege erarbeitet derzeit einen Text für eine Hinweistafel.

Dieses Bild zeigt das Kindergrab, wie es bei der Ausgrabung freigelegt wurde.

Mit Natursteinen wurden die Fundamente so nachgelegt, dass man sich einen sehr plastischen Eindruck von der Mächtigkeit dieses Bauwerkes machen kann.