Leopold Bleibtreu (1770-1838)

Unternehmer, Oberbergrat, Militärexperte, Verwaltungsfachmann und Diplomat

Im April 1993 hielt ich beim Bürgerverein Holtorf-Ungarten e.V. einen Vortrag über den Braunkohleabbau in unserer Region. Die örtlichen Tageszeitungen gingen in einem sehr umfangreichen, mit einer Übersichtskarte versehenem Artikel, auf den Vortrag ein. Das Erstaunen war groß, daß einerseits ein derartig umfangreicher Abbau stattgefunden hatte, noch mehr aber, daß dieses Geschehen fast in Vergessenheit geraten war. Durch das Studium der Chronik der Familie Bleibtreu bin ich zu der Erkenntnis gekommen, daß auch das Lebenswerk von Leopold Bleibtreu, dem Begründer des industriemäßigen Kohleabbaus und der Alaunwerke auf dem Ennert, ganz zu Unrecht wenig bekannt ist.

Als Sohn eines wohlhabenden Neuwieder Kaufmanns erhielt er mit seinem Bruder Abraham eine vielseitige Ausbildung in französischer, englischer und italienischer Sprache und in fast allen nur erdenklichen Disziplinen. Der Vater, Carl Philipp, hatte 1792 die Versorgung der Alliierten Armee aus französischen Emigranten unter dem Herzog von Bourbon, preußischen und österreichischen Truppen übernommen und der 15jährige Leopold begleitete den Vater auf dem Kriegszug nach Belgien gegen die Franzosen, eine für sein späteres Leben sehr lehrreiche Zeit. Der Krieg ging verloren und endete in gleicher Weise auch für Bleibtreu mit einem finanziellen Fiasko.

1797 erwarb der Vater ein Erzbergwerk bei Rheinbreitbach. Der erst 20jährige Leopold wurde dessen Leiter und er brachte das marode Werk in kurzer Zeit wieder zu voller Blüte.

Die Folge seines erfolgreichen Wirkens war, daß der Fürst zu Wied ihm die Leitung des Bergamtes Linz Übertrug, eine Aufgabe, die ein Mann, der nur 5 Stunden Schlaf benötigte, mühelos neben seiner Arbeit als Unternehmer ausführte.

1804 erwarb Leopolds Vater die ersten Braunkohlegruben bei Hoholz und nach der Entdeckung von Alaun in der Kohle begann für Leopold Bleibtreu eine neue Herausforderung. Durch seine unglaubliche Tatkraft gestaltete und entwickelte er unsere Region neben dem Kohleabbau durch den Bau von zwei Alaunwerken, einer Ziegelei und Brennerei. Er bewirtschaftete große Acker- und Wiesenflächen, besaß umfangreiche Waldungen und machte im Gebiet des heutigen Heidebergen 500 Morgen Heide und Unland urbar, die er mit den Rückständen seiner Industrieanlagen düngte. Sein Gesamtbesitz betrug 1.500 Morgen; als größte Einheit das Gut Großenbusch.

Am 6. März 1807 hatte sich Leopold Bleibtreu mit Anna Maria Ackermann vermählt. Trotz der großen Inanspruchnahme durch seine Tätigkeit war er seiner Frau und seinen 12 Kindern (deren bekanntestes Hermann war, der spätere Begründer der Zementfabrik) ein sehr liebevoller Familienvater.

1815 siedelte die Familie von Vilich ins Kloster Pützchen um, welches er 1825 erwarb.

Nach der Vö1kerschlacht bei Leipzig begann für das Rheinland eine unruhige Zeit. Flüchtende Franzosen und oft abgesprengte Teile der alliierten Armee, Kosaken aber auch allerlei Banden verunsicherten das Rheinland und Leopold Bleibtreu wurde fast selbstverständlich Führer des 600 Mann starken Landsturmbanners Vilich zum Schutz der Bevölkerung. Schon das Vorhandensein dieser Truppe verhinderte jegliche Übergriffe.

Nach dem Rückzug der Franzosen aus Bonn wurde Bleibtreu gebeten, Bonn vor Plünderungen zu bewahren, die dort zur Plage wurden. Am 14. Januar 1814 überschritt er mit 100 Freiwilligen den mit dickem Eis bedeckten Rhein. Sogleich besetzte er clas Rathaus und schickte Patrouillen aus. Vom russischen General Jusefowitsch, der mit seinen Truppen die flüchtenden Franzosen verfolgte, wurde er als Platzkommandant von Bonn bestätigt. Der General bot ihm auch, allerdings vergeblich, einen hohen Offiziersposten in seiner Armee an.

Wenige Zeit später erhielt er vom kaiserlich-russischen Generalgouverneur von Gruner den Auftrag, sich als Special-Commissar an die Saar zu begeben, um in Militärangelegenheiten, Landwehrorganisation, Bergwerks- und anderen Geschäften der guten Sachen seine Dienste zu widmen".

Unverzüglich begab er sich mit dem ihm zugeteilten Sekretär Wolf nach Saarbrücken.

Zum Schutz der dort sehr umfangreichen Vorratslager war eine Einheit von 500 Russen stationiert. Deren Offizier war jedoch schwer krank, so daß Bleibtreu auch dessen Kommando übernehmen mußte. Einen Angriff französischer Truppenteile vereitelte er durch eine Anzahl von geschickten Maßnahmen.

Nach den ersten Pariser Friedensgesprächen sollte das Saarland an Frankreich fallen. Die Bevölkerung war empört. In einer Ansprache vor einer großen Volksmenge (Leopold Bleibtreu war ein ganz ausgezeichneter Redner) bat er die Menschen Ruhe zu bewahren und er versprach ihnen, sich für ihre Sache einzusetzen. Er trug dies sogleich allen bedeutenden deutschen Fürsten vor und erwähnte als Fachmann natürlich auch die Bodenschätze des Landes.

So ist es in erster Linie dem Einwirken von Leopold Bleibtreu zu verdanken, daß das Saarland im 2. Pariser Frieden Preußen zugeschlagen wurde und deutsch blieb.

(Man kann also sagen, ohne "unseren" Leopold Bleibtreu hätte es sicherlich keinen saarländischen Ministerpräsidenten und Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine gegeben.)

Nach der Rückkehr aus dem Saarland: ,Zurückgekehrt aus einer groben, denkwürdigen Zeit Mitte 1814 nahm er keine öffentlichen Aufgaben mehr wahr, obgleich ihm die höchsten Staatsämter offenstanden.

Abgekürzt schreibt er in seinem Tagebuch: ,,Beim ersten Ausritt auf den Gebirgshöhen der Hardt, wo meine Berg- und Hüttenwerksanlagen in einem weiten Gesichtskreis sich dem Auge anmutig darstellten, schwor ich, diese Anlagen zum Wohle der Meinigen und meiner Mitmenschen, die davon leben, nicht mehr zu verlassen."

Im Jahre 1815 hatte Leopold Bleibtreu die Genugtuung, neben anderen Verdienstorden von Zar Alexander von Rußland die ,,Große goldene Medaille der Tapferkeit am St. Georgenbande" überreicht zu bekommen.

Leopold Bleibtreu starb am 11. September 1839. Er wurde auf dem alten, evangelischen Friedhof in Holzlar beigesetzt. ,,Viele Freunde und zahlreiche Landsleute bildeten einen an tausend Menschen zählenden Leichenzug. Sie gaben Zeugnis dafür, in welcher Achtung er bei den Einwohnern der Umgebung gestanden hat." ,,Die zahlreiche Knappschaft in Grubenkitteln, verstärkt durch die Bergleute des benachbarten Unternehmens Jäger marschierten mit ihren Keilhauen vor, neben und hinter dem Wagen; voran wurde die Fahne des Vilicher Landsturmbataillons getragen."

Der denkmalgeschützte Holzlarer Friedhof, auf dem noch mehrere Angehörige der Familie Bleibtreu bestattet sind, wird von der evangelischen Gemeinde gepflegt und ist sicherlich in Verbindung mit der mit großer Liebe und Sorgfalt restaurierten Holzlarer Mühle ein Besuch wert. Die Fahne des Landsturms wird im Beueler Heimatmuseum aufbewahrt, daneben eine Abbildung von Leopold Bleibtreu. ,,Ein Mann mit einem Löwengesicht und einem Löwenherzen" so beschrieb ihn Ernst Moritz Arndt. Die Abbildung macht dieses Urteil deutlich.

Zur Erinnerung an Leopold Bleibtreu wurde bei uns in Niederholtorf eine Straße nach ihm benannt. Es ist zu hoffen, daß meine kurze und bruchstückhafte Darstellung in einiger Zeit durch eine ausführliche Biographie dieses bedeutenden Mannes von anderer Seite ergänzt wird.

H. Wolfgarten