Der Ennert, ein "unsichtbares" Industriedenkmal

I. Teil 1: 1807, Leopold Bleibtreu entdeckt riesige Alaunvorkommen - Beginn der Industrialisierung des Ennerts

ENNERT. (rth) Wer heute zwischen Holtorf und Roleber, zwischen Vinxel und Oberkassel die Landschaft des sogenannten Pleiser Hügelländchens durchstreift, ist von der weiten Fläche, die sich im Vorfeld des Siebengebirges erstreckt, angetan. Sanfte Bodenwellen erstrecken sich zwischen den Ansiedlungen und kleineren Buschungen und an schönen Sommertagen kontrastieren das Gelb der Rapsefelder und das Blau des Himmels eindrucksvoll mit dem Grün der Wälder und Berge im Hintergrund.

Keiner käme dabei auf die Idee, hier auf dem Terrain eines der größten zusammenhängenden Abbaugebiete für Braunkohle um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu gehen, deren Spuren Teil der Landschaft sind, die uns heute so "natürlich" vorkommt. Diese Landschaft ist in großen Teilen eine durch Menschen geschaffene Landschaft, und das bezieht sich nicht nur auf den Anbau der Feldfrüchte, die Landschaftsform,die sanften Bodenwellen sind Ergebnis und Indikator der bergmännischen Tätigkeit.

Sanft schwingen die Böden im Bereich von Holtorf - Vinxel, doch kaum einer vermutet, dass sich unter diesen Bodenschwingen einstmals das größte zusammenhängende Braunkohleabbaugebiet in der Mitte des 19. Jahrhunderts befand. Foto: Thienen

Die Geschichte dieser bergmännischen Tätigkeit in diesem Bereich ist unmittelbar mit der Person von Leopold Bleibtreu verbunden. Unternehmer, Militärexperte und Diplomat. 1777 geboren, übernahm er, wie die Famiienchronik zu berichten weiss, 1813 nach der Vertreibung Napoleons "die Führung des Vilicher Landsturms, um Übergriffe jeglicher Art zu verhindern." Vom kaiserlich-russichen Generolgouverneur als Special Commissar an die Saar gesandt, sollte er sich in " ... Militärangelegenheiten, Landwehrorganisation und Bergwerks- und anderen Geschäften der guten Sache ? widmen".

Doch schon vorher hatte er sich für diese Aufgabe aufs ausdrücklichste empfohlen, hatte er doch, nachdem er 1807 unter den schon seit einigen Jahren abgebauten Braunkohleflözen Alaunerde feststellte und damit die Grundlage für eine industrielle Leistung legte, die ihresgleichen suchte.

Alaun war ein begehrter Stoff um die Zeit des beginnenden 19. Jahrhunderts. Meyers Conversationslexikon, Band 1 von 1905, also noch 100 Jahre später, stellt fest: "Alaun dient zur Bereitung von Farben und Farblacken, in der Färberei zur Darstellung von Rotbeize aus Bleizucker, in der Weißgerberei, zum Leimen des Papiers, zum Färben der Goldwaren, zu schwer verbrennlichen Anstrichen, zum Härten des Gipses, zum Klären von Wasser und Talg, als Zusatz zu Brot, um schlechtes Mehl verwendbar zu machen, als fäulniswidriges Mittel, zum Aufbewahren von Fellen, Häuten, in der Medizin als adstringierendes Mittel, als gebrannter Alaun zum Beizen, als blustillendes Mittel und als Zahnpulver." Ein wahrer Alleskönner.

Und nun lag sie da: Braune Erde, die aus Braunkole, Ton und Schwefelkies besteht. Und das in riesigen Mengen. Hatten die Braunkohleflöze in weiten Teilen eine Mächtigkeit von bis zu 4 Metern, lag ihre Besonderheit darin, dass die untere Schicht von ca. 1,50 Meter aus ebendieser schwefelkieshaltiger, toniger Kohle bestand, dem Grundstoff der Alaungewinnung. Darüber lag eine sehr hochwertige Kohle mit einer Mächtikeit von ca. 1,10 Metern. Sie bestand fast ausshließlich aus noch aufrechtsehenden, oben meist abeknickten Bamstämmen mit einem Duchmesser von bis zu drei Metern, an denen sich von Wassermassen angeschwemmte Hölzer gestaut hatten. Eine 1848 durchgeführte Untersuchung dieser Flöze im Bereich des heutigen Friedhofes und des Ankerbachs durch Professor Göppert von der Universität Breslauf stellt fest, das sich dort verschiedenen Zypressenarten befanden, die anhand der noch zue rkennenden Jahresringe ein Alter von bis zu 700 Jahren aufwiesen.

Wird fortgesetzt.

Quelle: http://www.schaufenster-bonn.de/rag-rsg/docs/46199/lokales