Bonn, 9. September 2007
Schon seit vielen Jahren waren hier an dieser Stelle alte, grobe Steine bekannt. Sie waren ganz einfach dadurch bekannt und zum Ärgernis geworden, weil es durch sie häufig zu Schäden beim Pflügen kam. Diese Steine, die aufgrund des anhaftenden Mörtels als Teile alter Fundamente erkennbar waren, wurden zu-nächst mit einer Kapelle des Klosters Heisterbach aus dem späten Mittelalter im Zusammenhang gebracht. Diese Kapelle sollte sich nach alter Überlieferung hier befunden haben. So führte diese Parzelle auch den Namen "Auf der Pelle".
Heinrich I von Löwenberg hatte im Jahr 1333 diese Parzelle dem Orden der Zisterzienser"zum Heil seiner Seele und seiner Gemahlin Agnes" vermacht. Ein vor einigen Jahren an dieser Stelle gefundener Grenzstein des Ordens mit der Inschrift HB und dem Bischofsstab soll demnächst hier aufgestellt werden. Durch ein zwischenzeitliches Studium alter Quellen stellte sich jedoch heraus, dass die Fundamente dieser Kapelle bereits 1874 bei Drainagearbeiten etwa 50 Meter weiter nördlich im Bereich der Gärten hinter dem Brunnen von Oberhol-torf entdeckt worden waren.
Die erwähnten Fundamentsreste konnte daher nicht mit dieser Heisterbacher Kapelle im Zusammenhang stehen. Die Suche nach der genauen Lage der Fun-damente sollte jedoch ohne großen finanziellen Aufwand für Grabungen erfol-gen. So wurden zunächst die Mitarbeiter des Geophysikalischen Instituts der Bonner Universität von Prof. Kümpel eingeschaltet, die mit besonderen Mess-geräten die genaue Lage der Fundamente orten sollten. Das Ergebnis war aber unbefriedigend. Es konnte keine deutliche Struktur der Fundamente festgestellt werden. Der Grund hierfür sollte sich erst später zeigen.
Es gelang jedoch die Archäologen des Rheinischen Amtes für Bodendenkmal-pflege für diese Sache zu interessieren. Im Frühjahr 2000 begann Dr. Gechter von der Außenstelle Overath des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege mit seinen Mitarbeitern das Gelände zu untersuchen, um die Umrisse der ver-meintlich kleinen baulichen Anlage festzulegen. Schon bald zeigte sich bei Sondierungen, dass die Fundamente nicht einer kleinen Kapelle oder einem ähnlichen Bauwerk zugeordnet werden konnten, denn hierfür wiesen die Fun-damente eine zu große Länge auf. Bei den nun erfolgten intensiven Grabungen konnten die Fundamente einer Kirche mit der beachtlichen Länge von 36m. freigelegt werden, eine Größe die den Kölner romanischen Stadtkirchen gleich kam. Zudem ergab sich, dass bereits vorher eine kleinere Kirche errichtet wor-den war, die auch schon die beachtliche Länge von 17m. aufwies.
Die archäologischen Grabungen wurden in den Sommermonaten der Jahre 2001 und 2002 fortgeführt. Innerhalb der Fundamente wurden Keramikstücke gefunden. Dabei erkannten die Archäologen, dass diese Funde nicht über das 13. Jahrhundert hinausgingen. Jüngere Scherben wurden nicht gefunden. Die Archäologen kamen deshalb zum Schluss, dass zu dieser Zeit das gesamte Ge-bäude "Balken für Balken und "Stein für Stein" bereits abgetragen worden war und das Material (offensichtlich) für andere Bauten Verwendung gefunden hatte.
In einem großen Teil der Fundamente waren nur noch umfangreiche Mörtel-schichten sichtbar. An einer Stelle war jedoch eine Mauer aus beachtlichen Steinbrocken zu finden, die beim Abbruch der Kirche nicht entfernt worden waren. Es kann vermutet werden, das es sich um die Überreste eines turmarti-gen Vorgängerbaues handelte. Innerhalb der älteren Kirchen lagerten gleich-falls verstreut in erheblicher Tiefe eine große Anzahl Basaltbrocken, die offen-sichtlich für den späteren Kirchbau ungeeignet waren.
Diese Basaltbrocken hatten die Arbeit der eingangs erwähnten Mitarbeiter des Geophysikalischen Instituts unmöglich gemacht.
Bei den Ausgrabungen wurden ferner Fundstücke aus der Zeit der Kelten, der Römer und der Merowinger entdeckt und es ergaben sich Hinweise auf eine keltische Besiedlung des Geländes aus vorchristlicher Zeit.
Der wichtigste Fund jedoch für eine Bestimmung des Alters der Kirche war ein Kindergrab im Chor der erweiterten Kirche mit 2 Skeletten. Die Lage ist in unserer Schautafel dargestellt. Das Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung der Universität Kiel ermittelte durch eine Radiokarbonun-tersuchung für das eine Skelett, dass es sich hier um ein etwa 4jähriges Kind gehandelt hat, dass um 1024 beigesetzt wurde. Das Todesdatum für das zweite Kinderskelett wurde mit dem Datum 1161 angegeben. Dies bedeutet, dass zu dem Zeitpunkt der Beisetzung des ersten Kinderskeletts um 1024 die erweiterte Kirche bereits fertiggestellt sein musste (vielleicht erfolgte die Erweiterung schon wesentlich früher). Entsprechend eher ist dann die Errichtung der ersten kleineren Kirche festzulegen. Ob sie zerstört wurde oder baufällig war, bleibt im Dunkeln. Der Bau der erweiterten Kirche zeigt jedoch, dass der Zweck, zu dem die erste kleinere Kirche errichtet worden war, im Lauf der Zeit an Bedeu-tung zugenommen haben muss, denn sonst wäre eine Erweiterung der Kirche nicht erklärbar.
Bemerkenswert war, dass nach fast 1000 Jahren die Skelette der Kinder noch relativ gut erhalten waren, denn sonst wären die erwähnten Untersuchungen mit ihren genauen Ergebnissen nicht möglich gewesen. Das Grab war mit Si-cherheit über Jahrhunderte durch einen Deckel gut geschützt, der jedoch bei den Ausgrabungen nicht mehr vorhanden war. An den oberen Kanten des Gra-bes sind, wie in der Schautafel sichtbar, noch Mörtelspuren deutlich erkennbar. Demnach kann der Deckel erst in der Neuzeit entfernt worden sein.
Gleichfalls wichtige und interessante Funde bei den Grabungsarbeiten waren Scherben eines frühmittelalterlichen Kachelofens im vorderen Bereich der Kir-che, sowie Teile eines Webstuhls. Möglicherweise ist das Gebäude einige Zeit im frühen Mittelalter als Notunterkunft benutzt worden.
Durch die Analyse des Alters der Kinderskelette ist das umfangreiche Rätselra-ten um den genauen Zeitpunkt der Entstehung der Kirchen zwar nicht beendet, aber doch soweit gelöst worden, dass das Alter der Kirchen wesentlich früher anzusetzen ist, als es zunächst von den Archäologen nach den Ausgrabungen angenommen wurde. Möglicherweise ist die erste Kirche schon in der späten Merowingerzeit errichtet worden.
Nicht gelöst ist die Frage, welchem Zeck die Kirchen dienten.
Wenn man alle Fakten berücksichtigt, ist eigentlich ausgeschlossen, dass die Kirchen als Ortskirchen dienten, denn bekanntlich ist Holzdorp (Holtorf) erst-mals 1183 urkundlich erwähnt worden und es gibt keine Erkenntnisse, dass sich dort früher eine größere Ansiedlung befunden hatte.
Desgleichen ist die Möglichkeit zu verneinen, dass die Kirchen einem Adels-geschlecht oder einer Gutsherrenfamilie als Eigenkirchen dienten. Dagegen spricht das ungewöhnliche Ausmaß der Kirchen, größer zumindest als die ers-ten Bauten der Kirche in Vilich. Eine Adelsfamilie mit derartig vielen Famili-enmitgliedern, die eine solch große Kirche benötigt hätte, die später noch er-weitert werden musste, wäre doch wohl in zeitgenössischen Urkunden erwähnt worden, zumal in der Regel diese Adelsfamilien selbst daran interessiert waren, der Nachwelt Kenntnis von ihren kirchenbaulichen Leistungen zu geben.
Der den Saalkirchen in Oberholtorf benachbarte Burghof findet erst um 1249 oder 1257 urkundliche Erwähnung. Diesem Burghof, auch wenn er wohl be-reits wesentlich früher bestanden hatte, kann aber um die Jahrtausendwende keine besondere Bedeutung zugemessen werden, denn die späteren Herren des Burghofs, wie die Herren von Löwenberg, sollen nie ein wirkliches Interesse an diesem Besitz gezeigt haben. Selbst Dr. Gechter vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege hat in einer Pressemitteilung zu der in Oberholtorf eine Eigenkirche wegen der Größe der Kirche in Frage gestellt.
Desgleichen gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, es habe sich bei den Kirchen um eine Klosteranlage gehandelt. Soweit bislang bekannt ist, fanden sich weder in den Analen der Klosteranlagen von Vilich, von Schwarzrhein-dorf, von Heisterbach, von der Siegburger Abtei oder von anderen Klöstern Hinweise auf eine benachbarte frühere Klosteranlage im Oberholtorf.
Vielmehr ist anzunehmen, dass hier einige Jahrhunderte die Gaugrafen des Auelgaues residierten, vielleicht nur so lange, bis Karl der Große seine Macht endgültig gefestigt hatte und der Sitz der Gaugrafen an einen anderen Ort ver-legt werden konnte.
Die Fundstelle der Kirchen liegt zentral im fränkischen Auelgau, der von der Wahnerheide bis nach Rheinbreitbach und vom Rhein bis ins Bergische Land reichte und der seit dem 7. Jahrhundert nachgewiesen ist. Wegen seiner Höhen-lage und der weiten Sicht war diese Fundstelle zu dieser Zeit und sicherlich auch bereits in den Jahrhunderten zuvor, ein strategisch wichtiger Ort.
Nach Beendigung der archäologischen Arbeiten hatte sich die Frage gestellt, wie die Grabungen für die Nachwelt erhaltbar gemacht werden könnten.
Heimatvereine, Politiker, aber auch die Bürger von Holtorf waren überein-stimmend der Meinung, dass die Fundamente der alten Kirchen als historisches Juwel zur Sichtbarmachung mit Natursteinplatten nachzulegen seien. Insbe-sondere hatte sich Dr. Talbot von der Denkmalbehörde der Stadt Bonn für eine Sichtbarmachung der Fundamente eingesetzt.
Öffentliche Mittel für diese Arbeiten mit einem Volumen von über 8.000 Euro waren wegen der Haushaltslage nicht zu erwarten. So war es der große Ver-dienst des Vorstandes des Bürgervereins Holtorf-Ungarten, eine Spenden-sammlung durchzuführen. Diese Sammlung erbrachte eine Summe von über 6.000 Euro. Da fast alle Arbeiten in Eigenleistung erbracht wurden, reichte die Spendensumme für die Nachzeichnung der Grundrisse der Kirchen aus. Das was Sie heute hier sehen, ist nicht nur ein erfreuliches Beispiel von bürgerli-cher Eigeninitiative, sondern zeigt auch das große Interesse der heutigen Bür-ger an den Spuren ihrer heimatgeschichtlichen Vergangenheit.
Bei der Nachzeichnung der Grundrisse, die zuvor anhand der Grabungen auf den Zentimeter genau vermessen wurden und die von Dr. Talbot wissenschaft-lich begleitet wurde, wurde die ältere Kirche zur besseren Unterscheidung et-was abgesetzt und durch eine Umrandung mit Basaltsteinen dargestellt. Eine Platte zeigt den Standort des früheren Kindergrabes an. Von den vielen umher-liegenden Basaltsteinen wurden einige rechts neben dem Schaukasten zu einer Mauer zusammengefügt.
Die im Schaukasten sichtbaren Erläuterungen zu der archäologischen Gra-bungsstelle stellen eine vorläufige Stellungnahme der Arbeitsgruppe Denkmal-pflege des Bürgervereins Holtorf-Ungarten e.V. dar. Das Rheinische Amt für Denkmalpflege hat zugesagt, einen offiziellen Text für die Hinweistafel zu erarbeiten. Dem Vernehmen nach ist derzeit eine Studentin damit beschäftigt, das Ergebnis der Ausgrabungen wissenschaftlich im Rahmen einer Diplomar-beit auszuwerten.
Für den Arbeitskreis Denkmalpflege des Bürgervereins Holtorf-Ungarten
e.V.:
Horst Wolfgarten, Eckhard Holtz